Fr, 8. September 2023, Ralf Hersel
Das ist ein Meinungsartikel.
Einen habe ich noch, bevor ich mich in die Ferien verabschiede. Vorhin habe ich einen Beitrag des geschätzten Chefredakteurs, Reto Vogt von Inside-IT gelesen. Unter dem Titel "Die Cloud ist alternativlos, aber ..." schildert er die anhaltende Migration von Behörden und Firmen in die Microsoft 365 Cloud. Als Hauptgrund für diese Alternativlosigkeit nennt er die Verfügbarkeit, Sicherheit, Funktionsumfang und den Preis. Dem On-premise-Betrieb attestiert er weniger Sicherheit und höhere Kosten.
Vogt sieht in dieser Alternativlosigkeit ein Dilemma:
Einerseits gibts keine technologische Alternative zu amerikanischen Konzernen, andererseits gibts für öffentliche Verwaltungen sowie Unternehmen des regulierten Umfelds eine Rechtsunsicherheit. Das ist eine schlechte Grundlage, um die alternativlosen Produkte einzusetzen.
Bei der Rechtsunsicherheit bezieht er sich auf den Cloud Act, der es US-amerikanischen Behörden erlaubt, auf Daten, die von US-Firmen gespeichert werden, zugreifen zu können. Dabei spielt es keine Rolle, wo diese Daten gespeichert sind. Als Lösung schlägt Vogt eine Neuverhandlung des Cloud Acts vor, um den Zugriff auf in Europa gespeicherte Daten zu verhindern. Er hält die Entwicklung einer eignen Cloud in der Schweiz oder Europa für aussichtslos, weil sie zu teuer wäre und zu lange dauern würde.
Grundsätzlich stimme ich dem Artikel zu, jedoch nicht in jedem Punkt:
Den Vergleich zwischen Cloud und On-premise halte ich irreführend. Selbstverständlich kann sich eine Behörde oder ein Unternehmen zwischen Cloud und dem Selbstbetrieb entscheiden. Wie Vogt richtig schreibt, ist dabei sowohl die Souveränität als auch die Verantwortung höher, als bei einer Cloud-Lösung. Doch darum geht es nicht. Auch beim Selbstbetrieb entscheiden sich die meisten Organisationen für das tödliche Trio: Windows, Active Directory und Office. Ob die Firmendaten und -prozesse in der Cloud oder On-premise kompromittiert werden, spielt keine Rolle.
Tatsache ist, dass ein zentralisiertes Angebot von SaaS und Storage kostengünstiger ist. Ob es verfügbarer und sicherer ist, wage ich zu bezweifeln, wenn ich auf die Cloud-Ausfälle und Sicherheitsprobleme der grossen Anbieter schaue. Bestes Beispiel ist das Jahrhundertversagen der Firma Microsoft, die ihren Hauptschlüssel im Juli verloren hat. Diese Causa hat es sogar in die deutsche Tagesschau geschafft. Welches Ziel ist für Black-Hacker interessanter, Microsoft 365 oder die Server der Firma Kraut und Rüebli?
Falls wir uns darin einig sind, dass eine Cloud-Lösung für fast alle Behörden und Unternehmen die bessere Lösung ist, stellt sich die Frage nach der richtigen Cloud. "Bessere Lösung" heisst "Profit-optimierter" im neo-kapitalistischen Umfeld. Wer sagt denn, dass eine hinreichende Cloud-Lösung in einem souveränen Umfeld nicht teuer sein darf und lange dauern kann? Warum sind die Begriffe "teuer" und "langsam" überhaupt negativ belegt? Sie können auch die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen im Land bedeuten.
Dann gibt es das Argument "Funktionsumfang". Ja, Microsoft 356 hat einen riesigen Funktionsumfang. Wer kennt ihn, wer nutzt ihn, für wen ist dieser Funktionsumfang Geschäfts-entscheidend? Aus langjähriger Erfahrung in einigen Schweizer Unternehmen und Organisationen kann ich sagen, dass der Funktionsumfang gerne als Scheinargument für die eigene Unfähigkeit angeführt wird. Beispiele gefällig: "Horst braucht Photoshop, um ein Bild drehen zu können", "Anna braucht InDesign, um drei Zeilen und ein Bild designen zu können", "Hans-Kaspar braucht Word, für einen Serienbrief, hat aber keine Ahnung, wie es geht".
Das Wort "alternativlos" erinnert mich an Dantes Göttliche Komödie: "Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!" Das Wort "alternativlos" gibt es nicht; insbesondere im IT-Umfeld. Es gibt im Leben und in der IT immer eine Alternative; eine bessere oder eine schlechtere. Wer sagt denn, dass es im europäischen Umfeld keine Cloud-Alternativen gibt?
Nehmt zum Beispiel Nextcloud Hub 5, welche in europäischen Firmen, Behörden und Bildungseinrichtungen eingesetzt wird:
- Siemens
- Technische Universität Berlin
- Raiffeisen Informatik
- Max-Planck-Gesellschaft
- Stadtsparkasse München
- Deutschlandradio (von ARD und ZDF)
- University of Twente
- Land Oberösterreich
- Französisches Innenministerium
- Stadtverwaltung Genf
.. um nur einige zu nennen. Diese Cloud kann sowohl On-premise als auch extern gehostet werden. Selbstverständlich gibt es Alternativen zur Microsoft 356 Cloud. Man muss es nur wollen und offen für Alternativen sein. Daraus wird jedoch nichts, wenn IT-Manager nach der Devise handeln: "Wer Microsoft kauft, wird nicht entlassen". Wer sich vom Mainstream verabschiedet, braucht einen festen Sitz, Durchhaltevermögen, Nervenstärke, gute Mitarbeitende und die Unterstützung des Managements.
Die zukunftsorientierte und souveräne IT braucht keine Feiglinge.
Falls ihr ihn einer Organisation arbeitet, die alternativ und mutig ist, würde mich euer Kommentar freuen.
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Author: Michael Rivera
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Name: Michael Rivera
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